Liebe Gemeinde,

unsere älteste Tochter ist Ende des Jahres in ihre geliebte Studentenstadt gezogen. Nachdem sie zunächst von Zuhause aus mit dem Studium begonnen hatte und jeden Tag mit dem Zug nach Köln pendelte, war es für sie zunehmend verlockender geworden, auch dort zu wohnen, wo sich das ganze Studentenleben abspielt. An den Wochenenden kommt sie meistens zu uns heim, und wir freuen uns dann, sie wiederzusehen. Dann wird miteinander erzählt und gekocht, und man nimmt Anteil am Leben der jeweils anderen. Zwischen den Jahren haben wir dann ihre restlichen Sachen hier Zuhause durchgesehen. Was hat sich nicht alles in 21 Jahren so angesammelt! Unter anderem gab es auch noch ihre Kinderbücher weit hinten im Bücherregal. So fiel mir das Buch „Komm, wir finden einen Schatz!“ von Janosch in die Hände, und ich erinnerte mich sofort daran, wie oft ich es ihr damals vorlesen sollte:  Der Tiger und der Bär suchen in diesem wunderschön illustrierten Buch einen Schatz –  am besten eine dicke Kiste voll mit Gold und Geld. Also paddeln sie mit ihrem Boot über den Fluss, müssen mehrere Stunden lang durch den großen, wilden Wald irren, eine lange Straße entlang gehen und sogar über das „Meer“ gelangen. Zwischendurch geht ihnen fast die Puste aus. Sie haben schon fast keine Hoffnung mehr, den Schatz jemals zu finden. Als sie irgendwann nicht mehr laufen können, tragen sie sich gegenseitig. Irgendwann finden sie einen Baum mit goldenen Äpfeln. Sie sammeln sie überglücklich ein und tragen sie in großen Körben auf dem Rücken. Nun stöhnen sie aber unter der Last und können einander nun nicht mehr tragen. Gut, dass sie „ihren Schatz“ bald wieder loswerden und mit leeren Händen dastehen. So sind sie erneut frei darin, einander abwechselnd zu tragen. Glücklich und erleichtert kommen sie schließlich miteinander wieder bei sich Zuhause an. Sie waren lediglich einmal im Kreis um ihr Haus gelaufen und hatten aber ihren Schatz gefunden: ihre Freundschaft zueinander und das Gefühl, wie schön es ist, wenn man gemeinsam ein tolles Zuhause teilt.

Sich auf eine Schatzsuche aufzumachen, das ist schon reizvoll. Da fallen mir sofort die Kinder ein, die sich jetzt bald zu Ostern wieder auf die Ostereier- und Süßigkeitensuche begeben oder die vielen Suchrallyes draußen, die wir zur Begeisterung der Kinder im Rahmen unserer Kinder- und Jugendarbeit immer wieder in unseren Kindertreffs veranstalten. So eine Schatzsuche ist jedoch nicht nur etwas für Kinder oder Jugendliche. Man kennt ja auch viele Bücher und Filme für Erwachsene, in denen Menschen auf der Suche nach etwas Kostbarem und Geheimnisvollen sind. Schatzkarten oder Hinweise sollen sie zum Ziel führen. Bis das Ersehnte dann gefunden wird, gilt es viele Hindernisse zu überwinden und Prüfungen zu bestehen. Und schließlich hat sich mittlerweile auch eine moderne Form der Schatzsuche immens ausgebreitet: Das „Geocaching“. In Deutschland gibt es über 370.000 versteckte „Schätze“, die per GPS auf dem Handy geortet und gefunden werden können. So wird ein Spaziergang in freier Natur zur aufregenden Schatzsuche.

Auch Jesus nimmt uns mit auf eine spannende Reise hin zu einem Schatz. Er kennt die Sehnsucht von uns Menschen danach, eine große Entdeckung machen zu wollen und damit etwas ganz Besonderes zu besitzen, das einen unabhängig und reich machen kann. Jesus sagt: Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz (Mt 6,21)

Jetzt in der Zeit der Kontaktbeschränkungen und der eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten haben wir uns alle mehr bewusst machen können, was unsere wahren „Schätze“ im Leben sind, auf wen und worauf es in unserem Leben wirklich ankommt, wer uns am Herzen liegt. Es hat auch ganz schön gut getan, zu merken, auf wen man sich persönlich verlassen kann in diesen Zeiten, wer einen ein Stück mitträgt, um im Bild des Tigers und des Bären zu bleiben. Wir durften auch spüren, wie gut es tut, wenn man ein schönes Zuhause hat, in dem man sich mit den Menschen, die einem lieb und teuer sind, gemeinsam gemütlich machen kann – allen beunruhigenden Ereignissen da draußen zum Trotz, als Trutzburg quasi.

Auch unser Gemeindeleben und unser Glaube können von gegenseitiger Freundschaft, vom füreinander da – Sein und von der Gewissheit, ein gemeinsames, tolles Zuhause zu haben, geprägt sein! Wir können uns gegenseitig ein Stück tragen, unsere Sorgen teilen und uns als Schwestern und Brüder fühlen. So können auch wir uns gegenseitig helfen und Mut machen. Jeder und jedem von uns kann doch einmal zwischendurch die Puste ausgehen und die Hoffnung darauf schwerfallen, dass wir das alles bald durchgestanden haben werden. Lasst uns deshalb auch stets an die denken, die neben uns gehen. Denn auch wir leben alle unter einem Dach, sind hier in der Kirchengemeinde Wickrathberg miteinander verbunden und als Christen weltweit.

Jesus Christus wurde für uns Mensch. Diesen Schatz gilt es jeden Tag aufs Neue zu entdecken! Hinweise und Navigationskoordinaten finden wir einerseits in der Bibel und andererseits jeden Tag in unserem Leben. Wenn wir uns mit offenen Augen bewegen, werden wir zu Entdeckern und heben miteinander und füreinander Schätze, die wirklich kostbar sind!

Herzlichst,
Eure und Ihre

Birgit Erke